Das Geschäft mit Meerestieren

Die Dokumentation Seaspiracy hat den Menschen vor Augen geführt, wie verheerend sich die industrielle Fischerei auf die Tiere, die Umwelt, die Artenvielfalt und Menschen rund um den Globus auswirkt. Also lieber Fisch aus Aquakulturen? Auch diese verursachen Tierleid und Umweltbelastungen und können nicht die Antwort auf die Probleme der Meeresfischerei sein.

Wir zeigen dir, was falsch läuft in Aquakulturen. Aber dabei richten wir die Aufmerksamkeit mal nicht auf Fische, sondern auf jene Tiere, an die wir kaum denken, wenn es um unsere Ernährung und ihre Auswirkungen geht.

Kraken

Kraken versetzen uns immer wieder in Erstaunen. Sie sind nicht nur hochintelligent, sondern auch unglaublich geschickt: Sie können Muschelschalen öffnen, Steine hin und her manövrieren, sich Unterschlüpfe bauen. Sie können sogar die Filtersysteme in Aquarien demontieren, wenn sie das Pech haben, in einem solchen zu landen. Sie haben außerdem ausgeprägte Persönlichkeiten, können sich langweilen und haben Fantasie.

Das alles sind Eigenschaften, die wir Menschen von uns selbst kennen. Aber Kraken haben noch viel mehr zu bieten als wir: Sie besitzen ein Nervensystem, das über alle acht Arme verteilt ist, und die Fähigkeit sich zu tarnen, indem sie ihre Farbe ändern. Sollte ihnen einmal einer ihrer Arme abhandenkommen, können sie ihn einfach nachwachsen lassen. Kraken gehören wohl zu den außergewöhnlichsten Tieren unseres Planeten – dennoch sind sie nicht gefeit vor der Ausbeutung durch uns Menschen. Kürzlich wurde in Aquakulturen begonnen, mit ihrer Zucht zu experimentieren.

Octopus in the sea
Foto: Unsplash

Rund 350.000 Tonnen Tintenfische werden jedes Jahr in freier Wildbahn gefangen und in Restaurants auf der ganzen Welt serviert. Das sind so viele, dass die natürlichen Bestände immer weiter abnehmen. Deswegen wurde damit begonnen, die Tiere in Aquakulturen zu züchten. Lange Zeit galt das als zu schwierig. Denn Kraken essen nur Lebendfutter – eine logistische und finanzielle Herausforderung. Außerdem sind sie sehr empfindlich, was den Salzgehalt und die Temperatur des Wassers betrifft.

Doch die Industrie witterte ordentlichen Profit und hielt an den Zuchtversuchen fest. Sie fand heraus, dass einige Krakenarten auch dann überleben, wenn ihre Ernährung und die Haltungsbedingungen weniger optimal sind. Inzwischen gibt es Unternehmen in Australien, Mexiko und Japan, die auf dem besten Wege sind, Kraken für die Massentierhaltung zu züchten.

Professor Jennifer Jacquet von der New York University leitete ein Team von Umweltforscherinnen und -forschern, die sich gegen die Zucht von Kraken aussprachen. Sie führt an, dass die Tiere Fisch und Schalentiere fressen und ihre Versorgung mit entsprechendem Futter deswegen großen Druck auf die natürliche Nahrungskette ausübt. Über diese ökologischen Aspekte hinaus kritisiert Professor Jacquet die Krakenzucht auch unter ethischen Gesichtspunkten: „Wir sehen keinen Grund, warum im 21. Jahrhundert ein hochentwickeltes, komplexes Tier zur Quelle für massenproduzierte Lebensmittel werden sollte.“ Ihr Fazit: „Die Krakenzucht ist ethisch und ökologisch nicht zu rechtfertigen.“

Schildkröten

Ein beliebtes Ziel für Touristinnen und Touristen auf den karibischen Cayman Islands ist eine Schildkrötenfarm. Hier können sie mit den gefährdeten grünen Meeresschildkröten schwimmen und für ein Foto mit einer Schildkröte auf dem Arm posieren. Dass dies großen Stress für die Tiere bedeutet, ist vielen Menschen nicht klar. Was die meisten wohl auch nicht wissen: 9.500 dieser bedrohten Schildkröten, die auf der Farm leben, sind nicht etwa als Touristenattraktion gedacht – sie wurden für den Fleischhandel gezüchtet.

Meeresschildkröten sind Einzelgänger, die teilweise Wanderungen von rund 2.300 Kilometern auf sich nehmen und bis zu 150 Meter tief tauchen können. Auf der Farm werden sie jedoch zu Hunderten in flachen Betonbecken gehalten.

Turtle swimming in ocean
Foto: Unsplash

Die Tierschutzorganisation World Animal Protection (WAP) fand zudem Beweise dafür, dass sich die gestressten Schildkröten gegenseitig kannibalisieren. 2015 kündigte eine Mitarbeiterin der Anlage, die den täglichen Anblick dieses Leids nicht mehr ertragen konnte: „Sie kämpften ständig darum, an die Oberfläche zu kommen, um zu atmen“, sagte sie. „Jede der Schildkröten, die man zu Gesicht bekam, hatte Verletzungen und Bisswunden von den anderen, mit denen sie sich übereinanderstapelte.“

Bisswunden, Krankheiten und Stress sind laut WAP häufige Probleme der Schildkrötenzucht, ebenso wie Inzucht. Infolgedessen sind einige Schildkröten sogar ohne Augen geboren worden.

Es ist absurd, dass jemand, der ein gefährdetes Tier züchtet, von dessen Schlachtung profitiert. Zum Glück ist diese Farm in der Form einzigartig. Es gibt jedoch viele Unternehmen, die Süßwasserschildkröten für die Fleischindustrie züchten. Alleine in China werden jedes Jahr mehr als 300 Millionen Schildkröten aus solchen Betrieben verkauft. Die meisten von ihnen sind Weichschildkröten, doch es sind auch einige vom Aussterben bedrohte Arten dabei.

Um solche Schildkrötenfarmen gibt es viel Geheimniskrämerei, denn keines der Unternehmen möchte sich von der Konkurrenz in die Karten schauen lassen. Natur- und Tierschutzorganisationen befürchten, dass unter den gehaltenen Tieren auch Wildfänge sind. Unseres Wissens wurden die Lebensbedingungen der Schildkröten in solchen Betrieben bisher von niemandem untersucht und offengelegt. Aber eins wissen wir: Geheimhaltung ist ein schlechtes Zeichen.

Garnelen

Unsere Weltmeere werden in einem alarmierenden Tempo geleert – deswegen sieht sich die Industrie nach neuen profitablen Quellen um. Immer häufiger findet sie die in der Zucht von Garnelen. Mehr als die Hälfte der Garnelen, die weltweit gegessen werden, stammt aus der Zucht in Aquakulturen.

Dies ist ohne Zweifel ein besonders düsterer Zweig der Fischindustrie: Laut der NGO Environmental Justice Foundation kann die Garnelenzucht „für schwerwiegende Schäden an unserer Umwelt verantwortlich sein – wie zum Beispiel die Zerstörung von Mangrovenwäldern, Feuchtgebieten und Korallenriffen sowie für den Rückgang der Artenvielfalt in Meer und Küstengebieten und für das massenhafte Ertrinken von Meeresschildkröten und anderen geschützten Arten. Zudem wird sie mit Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- und Zwangsarbeit, Einschüchterung, Gewalt und sogar Mord in Verbindung gebracht.“

White shrimps
Foto: AdobeStock

In Vietnam ist die Garnelenzucht mitverantwortlich für Abholzung, Erosion und einen steigenden Salzgehalt des Bodens, der den Anbau von Nahrungsmitteln wie Reis erschwert. Viele der Zuchtbetriebe sind auf eine Reihe von Chemikalien und Medikamente angewiesen, um die Garnelen am Leben zu halten. Diese gelangen über kontaminiertes Wasser in den umliegenden Wasserkreislauf und tragen so maßgeblich zur Umweltverschmutzung bei.

Fester Bestandteil der Garnelenzucht ist die sogenannte Augenstielablation: Den weiblichen Tieren werden ihre Augenstiele abgetrennt, um sie fruchtbarer zu machen. Ja, du liest richtig.

Die weiblichen Garnelen haben hinter ihren Augen eine Drüse, die ihre Fruchtbarkeit beeinflusst. Der Stress, den sie auf den Zuchtfarmen erleiden müssen, macht es jedoch unwahrscheinlich, dass sie fruchtbar sind und sich fortpflanzen. Indem ihnen ihre Augenstiele abgetrennt werden, wird diese Drüse zerstört – das zwingt ihre Eierstöcke zur Reifung.

Ob dies den Tieren wehtut? Eine Studie ergab, dass das Verhalten der betroffenen Garnelen mit Schmerzreaktionen übereinstimmte: Sie wichen zurück, krümmten sich, schnippten mit ihren Schwänzen und rieben sich an der betroffenen Stelle. Zusätzlich führten die hormonellen Veränderungen bei den Tieren auch zu Desorientierung.

Erfahre hier mehr über Garnelen – und wie viel Persönlichkeit in jedem dieser kleinen Tiere steckt.

Es ist nicht überraschend, dass das große Leid, das wir bereits aus anderen Bereichen der Massentierhaltung kennen, auch vor Wassertieren keinen Halt macht. Sobald Lebewesen zu Waren reduziert und nur noch als Profitmöglichkeit gesehen werden, scheint es keine Grausamkeiten mehr zu geben, die Menschen nicht zu begehen bereit sind.

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